Rezension prämierter Wirtschaftsbücher | 13. Oktober 2022
Wer noch nicht wusste, dass Monopoly ursprünglich entwickelt wurde, um die negativen Folgen ungleicher Einkommensverteilung aufzuzeigen, oder warum niemand als Reich gelten möchte und warum Männer sich wie Autos verhalten, sollte „Was wir haben“ von Eula Biss lesen.
Das Buch mit 264 Seiten, welches im Jahr 2021 im Carl Hanser Verlag erschienen ist, beschreibt in einer Mischung aus Autobiografie, Sachbuch und Literaturübersicht das Verhältnis zwischen Sein, Besitz und der Vorstellung von der eigenen Position in der Gesellschaft. Die Autorin, die sich selbst im Spannungsfeld zwischen ihrem auskömmlichen Anstellung als Dozentin für Writing an der Northwestern University und ihrer Leidenschaft als selbständiger Schriftstellerin befindet, diskutiert sprachgewandt die Gebiete Kapitalismus, Klassenkampf und eigene Identität.
Sie beschreibt in einer Vielzahl kurzer Kapitel verschiedenste Perspektiven der oben genannten Themen. Seien es „Nicht-Konsumenten“, die „Arbeit“, „Befriedigung“ oder ganz allgemein „Kapitalismus“ selbst. Dabei vermischt sie die eigenen Erfahrungen als Kind, welches den sozialen Abstieg erlebt hat, mit den Gedanken verschiedenster Literaten, Künstler und Denker. Darunter Dickinson, Wolf, Marx, Aristoteles, Adam Smith und viele andere. In Verbindung mit der wertfreien Beschreibung der Autorin wird der Leser so selbst in die Lage versetzt sich eine Meinung zu bilden und sich häufig auch selbst kritisch zu hinterfragen. Würde ich das was ich tue auch ohne Geld tun? Wie gut geht es mir wirklich im Vergleich zu anderen? Habe ich die Situation verdient in der ich mich befinde und kann ich es Verantworten so zu leben ?
Die Autorin erzählt dabei keinen stringente Geschichte, sondern dokumentiert in Auszügen den Entstehungsprozess des Buches selbst. Auch gibt es keinen Spannungsbogen, der den Leser bei der Stange hält. Zwar erfährt man über verschiedene Kapitel verteilt einiges über die in Ich-Form schreibende Autorin, allerdings bleibt Sie ebenso wie die anderen Charaktere sehr blass. Die Personen werden weder eingeführt noch im Detail beschrieben. Vielmehr dient die Ich-Person als neutrale Projektionsfläche die aber in ihren Gedanken und Gefühlen nachvollziehbar scheint. Ebenso werden die zahlreichen historischen Persönlichkeiten, die in dem Buch genannt und zitiert werden in der aller Regel als zumindest bekannt vorausgesetzt.
Nun warum lohnt es sich „Was wir haben“ zu lesen ? Es sind die zahlreichen einzelnen Passagen, die einen entweder durch ihre sprachliche Gestaltung oder durch eine neue Perspektive auf ein bekanntes Themen beeindruckt stocken lassen. Dazu kommen die eingeschobenen Auszüge anderer Schreiber und Dichter, sowie die vielen unerwartet witzigen Pointen die einen beim Lesen unterhalten. Zudem schafft es die Autorin die Themen Wohlstand, Armut und Klasse auf verschiedensten Ebenen zueinander zubringen ohne dabei ideologisch zu werden oder ein Werturteil vorwegzunehmen. Unabhängig von der eigenen Meinung bleiben die Aspekte stets nachvollziehbar und das geschilderte immer nah genug an der Realität um sich selbst hineinzuversetzen. Das Buch lädt einen nicht dazu ein es gebannt am Stück zu lesen, allerdings könnte man eine beliebige Seite aufschlagen, diese und die drei Folgenden lesen und wäre wohl gut unterhalten.
Wer an diesem Buch Freude haben möchte, sollte offen sein sich und seine Lebensweise kritisch zu betrachten, Neues hinzuzulernen und Spaß daran haben auch mal etwas woanders nachzuschlagen um die Themen in der Tiefe zu betrachten. Dabei wird man jederzeit vom intelligenten und teils subtil witzigem Schreibstil unterstützt.