Rezension: Schularick, Moritz. Der entzauberte Staat.

Rezension: Schularick, Moritz. Der entzauberte Staat. Was Deutschland aus der Pandemie lernen muss. München. 2021. Verlag C.H. Beck. Taschenbuch 140 Seiten.

Bei der Veröffentlichung des Buches befindet sich Deutschland mitten in der Corona-Pandemie. Andere Krisen wie die Finanzmarktkrise 2008 oder die EUR-Staatsschuldenkrise liegen einige Jahre zurück. An einen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat 2021 niemand gedacht. Es stellte sich eher die Frage, wie werden wir die Transformationen der kommenden Jahre und Jahrzehnte bewältigen. Hat man in der Pandemie Handlungsmuster entwickelt, die für die Herausforderungen – zum Beispiel auch beim Klimawandel – als praktikabel gelten können?

Im Kern beschäftigt sich das Buch mit dem Thema: Ist unser Staat ein guter Risiko-Manager?

Die Antwort, die Schularick liefert, ernüchtert den Leser zunächst! Die Generalprobe für kommende Krisen lief schief. Auf das, was anfangs noch relativ gut funktionierte - ab etwa März 2020 bis zum Sommer 2020 – folgten deutliche Defizite, als uns die zweite Covid-Welle ab dem Spätjahr 2020 traf. Den Verwaltungen und Ämtern fehlte es an Ausstattung sowie Organisationskraft. Es fehlten Testzentren, Computer- Equipment und kompatible Software. Schlimmer noch: Dem Staat mangelte es an der notwendigen Wissensinfrastruktur in Form von Daten, Prozessen und Institutionen, in denen ein produktiver und effizienter Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Exekutive auf Basis relevanter aktueller Informationen stattfinden konnte. Fehlende Digitalisierung in den Behörden ließ die Verantwortlichen im Dunkeln tappen. Die Reaktionsgeschwindigkeit in den Ämtern – bei viel Bürokratie und wenig Technologie – erwies sich als unzulänglich lahm. Viele Dinge scheiterten schlicht an „Unwissen“. Politik und Wissenschaft stolperten datentechnisch mehr oder weniger blind durch diese Pandemie. Aber – bei allen Unvollkommenheiten: Eine misslungene Generalprobe gibt uns die Chance, aus den Fehlern zu lernen.

Schularick wäre ein schlechter Volkswirt, zeigte er bei aller Kritik nicht auch die Optionen für künftiges Handeln auf.

Beim globalen Übergang zu klimaschonender Wirtschaft werden Kompetenz und Leistungsfähigkeit des Staates eben gerade zum wichtigen Standortfaktor! Es lohnt sich daher, in Staatskapazität zu investieren und nicht zu desinvestieren. Es geht nicht um weniger oder mehr Staat – sondern um einen proaktiven und kompetenten Staat mit einem Hang zum Pragmatismus, wenn ungewohnte Herausforderungen entstehen. Es ist an der Zeit, für einen wirklichen Ruck in Deutschland. Was der damalige Bundespräsident Roman Herzog schon 1997 beklagte, muss nun konsequent angegangen sein. Wir brauchen eine andere Geisteshaltung im Umgang mit Risiken. „Weiter so“ mag sich beruhigend anfühlen. Liefert aber nur eine Scheinsicherheit. Ein Paradox einer Risikogesellschaft liegt darin, dass wir bereit sein müssen, neue Risiken einzugehen, um andere, größere Risiken mit hoher Schadenseintrittswahrscheinlichkeit zu vermeiden.

Ein neues Denken über Risiken muss auch erkennen, dass nicht jede staatliche Investition eine Rendite abwerfen kann. Was im Übrigen auch nicht jede betriebswirtschaftlich durchdachte unternehmerische Investition tut.

Des Weiteren brauchen wir eine gründliche Entbürokratisierung und ein Upgrade der Infrastruktur auf allen Ebenen.

Die deutsche Wissenschaft gab in der Pandemie ein ausgezeichnetes Bild ab. Wissenschaft und Politik müssen enger und direkter „in Echtzeit“ bei Entscheidungen verbunden sein.

Zuletzt: Bei allen ökonomischen Vorteilen einer globalen Arbeitsteilung, diese birgt auch Risiken bei Logistik und weltweiten Lieferketten. Der Europäische Binnenmarkt liefert reichlich Spezialisierungsmöglichkeiten. Also: Besser mehr Europa denn weniger Europa tut gut!

Prof. Norbert Schlottmann

Professor mit Lehrauftrag
DHBW Mannheim
Studiengang BWL / BANK
Coblitzallee 1-9
68163 Mannheim (Neuostheim)
Tel.: 0621-4105-2208

Mehr von Prof. Norbert Schlottmann

Veranstaltungen | 1. Dezember 2019

хорошо - "Kurskheim" floriert…

Bereits zum zweiten Male sponsert die Bank … Verbindung die Kooperation der Studienrichtung Finanzdienstleistungen / Bank der DHBW-Mannheim bei der

weiterlesen

Studium | 5. Juni 2018

Moscow never sleeps...

Москва никогда не спит

weiterlesen