Veranstaltungen | 18. Oktober 2020
RYLA-Seminar 2020 des Rotary Club Göppingen
“Sinn + Beruf” oder “Sinn im Beruf”?
Ende Oktober ging
es für Arne, David und Monja - unter Einhaltung umfangreicher
Corona-Schutz-Auflagen - auf das RYLA (Rotary Youth Leadership Award) Seminar
nach Bad Boll. Das Seminar wird jährlich vom Rotary Club Göppingen angeboten
und bietet jungen engagierten Menschen einen Austausch mit erfahrenen
Führungskräften, Unternehmern und sonstigen “guten Typen” auf Augenhöhe. Im
Mittelpunkt stand dieses Jahr insbesondere das Thema “Sinn finden im Beruf”.
Angesichts der aktuellen Umstände wurde aber auch das Thema Corona diskutiert
und die Frage, was sich für jeden einzelnen und in unserer Gesellschaft dadurch
verändert.
Freitag - Anreise und Kennenlernen, die Rotarischen
Werte
Der Freitag stand
unter dem Motto Herausforderungen im Berufs- sowie Privatleben und wie der
theoretische Anspruch doch manchmal stark von der wirklichen Praxis abweicht.
Nachdem uns der Präsident des Rotary Club Göppingen, Johannes Frühbauer,
zunächst in die rotarische Entstehung sowie deren Ideale einführte,
untersuchten wir im Anschluss in Form einer Gruppenarbeit die vier rotarischen
Werte unter beruflichen sowie privaten Gesichtspunkten.
Doch zunächst ein kleiner Exkurs zur Entstehung und zum Hintergrund von Rotary und den rotarischen Werten. Rotary ist der älteste Service-Club der Welt und begann mit der Vision eines Mannes: Paul P. Harris. Paul war 1905 auf der Suche nach Freunden in Chicago und legte, mit dem Ziel, Menschen verschiedener Herkunft und Berufe zum Ideenaustausch zusammenzuführen und daraus lebenslange Freundschaften entstehen zu lassen, den Grundstein für den Rotary Club. Aus den schon damals wöchentlich stattfindenden Treffen entstand der Name Rotary (englisch für rotierende, drehende). Paul Harris verfolgte, in der für ihn damals unsittlich gewordenen Geschäftswelt in der Großstadt Chicago, eine ähnlich stabile und vielseitige Wertegemeinschaft zu schaffen, wie er sie als Kind auf dem Land erlebt hatte, wo jeder entsprechend seiner Fähigkeiten andere nach Möglichkeit unterstützte. Die rotarischen Prinzipien haben sich seitdem über viele Jahre hin entwickelt. Um dem Ziel des Dienens als Grundlage des Geschäfts- und Berufslebens gerecht zu werden, stellen sich Rotarier bei allem was sie denken, sagen oder tun folgende Vier-Frage-Proben: (1.) “Ist es WAHR?”, (2.) “Ist es FAIR für alle Beteiligten?”, (3.) “Wird es FREUNDSCHAFT und GUTEN WILLEN fördern?” und (4.) “Wird es dem WOHL aller Beteiligten dienen?”.
Beim RYLA Seminar am Freitag Abend untersuchten wir diese vier Dimensionen bezogen auf die heutige Berufswelt unter folgenden vier Fragestellungen: (1.) “Herrscht in der unternehmerischen Praxis eher Wahrheit Unwahrheit/Lüge?”, (2) “Geht es im unternehmerischen Alltag eher fair oder unfair zu?”, (3.) “Werden Kollegen eher als Freunde oder Feinde gesehen?” und (4.)” Dient das Miteinander dem Wohl aller oder überwiegt der Unternehmenszweck?”. Zusätzlich beschäftigten wir uns damit, was wir von unseren Führungskräfte hinsichtlich dieser vier Themenfelder erwarten.
Die Diskussion um diese kniffligen Fragestellungen führten zu interessanten Ergebnissen. Zum Beispiel ging die Mehrheit von uns davon aus, dass in der unternehmerischen Welt eher „Wahrheit“ vorherrscht. Allerdings empfanden wir auch, dass Erfolg oft auf „Halbwahrheiten“ bzw. “empfängergerechten” Wahrheiten basiert, was bedeutet, dass z.B. kurssensitive Wahrheiten/Fakten oftmals nicht kommuniziert werden oder erst zeitverzögert, was uns hinsichtlich unserer initialen Einschätzung an einer ehrlichen Geschäftswelt wieder zweifeln ließ. Klare Forderung an Führungskräfte hieraus war eine offene und transparente Kommunikation, und dass die Wahrheit jedem zumutbar ist sowie mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit stiftet.
Beim Themenfeld
„fair oder unfair“ war die Feststellung zunächst, dass die Meinungen über die
Definition, was ist „fair“ und was ist „unfair“ stark auseinandergleiten. Zum
einen üben die Größe und die (Hierarchie-)Struktur eines Teams/Unternehmens
einen großen Einfluss aus. Zum anderen aber auch die Gewinnstrategie des
Unternehmens. Führungskräfte haben hier als Vorbildfunktion eine große
Bedeutung auf die subjektive Bewertung eines jeden Einzelnen, ob etwas als fair
oder unfair empfunden wird.

Wie sich erkennen lässt, gibt es kein richtig oder falsch. Vielmehr muss jeder für sich selbst definieren was diese Werte für ihn oder sie bedeuten und für welche er oder sie einstehen möchte. Als gemeinsames Verständnis jedoch ging aus allen vier Pinnwänden hervor, dass die essentielle Grundlage jeder Beziehung, sei es im privaten oder geschäftlichen Kontext, immer das Vertrauen bildet. Darüber hinaus stärken gegenseitiger Respekt und eine offene Kommunikation diese Grundlage, die für einen ehrlichen und fairen Umgang unabdingbar sind. Den Abend ließen wir bei guten Speisen und Getränken sowie anregenden Gesprächen gemütlich ausklingen.
Samstag: Was ist für mich “Sinn"?
Der zweite Tag des
RYLA Seminars stand unter dem Motto "Was ist für mich Sinn?". Nach
einem reichhaltigen Frühstück starteten wir den Seminartag mit einer ersten
Gruppenarbeit, dem sogenannten World Café. In insgesamt vier Gruppen
beantworten wir innerhalb einer Viertelstunde die Frage nach dem Sinn des
Lebens und hielten unsere Ergebnisse auf einer Pinnwand fest. Anschließend
wechselten wir die Stationen und unterstrichen aus den Ergebnissen der anderen
Gruppen die wesentlichsten Aussagen. Im dritten Schritt einigten wir uns pro
Pinnwand auf fünf Stichpunkte, die wir zum Abschluss im Plenum vorstellten.
Unser Fazit: Auch wenn wir als Banker dem Mammon nicht abgeneigt
gegenüberstehen, ist Geld nicht das Wesentliche, um glücklich zu sein. Es
kristallisierten sich stattdessen drei Punkte heraus: Erstens ein
vertrauensvolles und positives Umfeld sowie eine Tätigkeit, die im Einklang mit
den eigenen Werten steht. Zweitens die persönliche Weiterentwicklung und vor
allem das Erreichen von Zielen aus eigener Kraft. Drittens die Mitgestaltung an
einer bleibenden Sache und ein positiver Beitrag für unsere Gesellschaft.
Kurzum: Einer guten Sache zu dienen. Um ehrlich zu sein, ist dieser
Erfolgsfaktor vorher nicht auf meinem Schirm gewesen. Ein Rotarier fasste alle
Punkte in einem Satz zusammen: "Man muss selbst etwas tun, um Glücklich zu
sein". Denn keine der Entscheidungen, die letztendlich zu einem
innerlichen Glücksgefühl führen, wird ein anderer für einen treffen.
Soweit die
Theorie. Im Anschluss an die Gruppenarbeit berichteten uns vier Rotarier in
kurzen Impulsvorträgen, was für sie in ihrem (Berufs-)Leben einen Sinn stiftet.
Bei einem Schulleiter war es die Reaktion eines Fünftklässlers, der zum ersten
Mal in einer großen Konzerthalle war und sich freute, "dass er so etwas
erleben darf!". Für einen Selbständigen Rotarier aus der Kreativbranche
war es die lange Sinnfindung in seiner jetzigen Unternehmertätigkeit, zu der
ihm ein langer Weg voller Höhen und Tiefen geführt hat. Für einen Ingenieur,
der aus einem Unternehmerhaushalt kommt, war es sein erster großer Misserfolg
als Selbständiger, der ihm die Augen für den Sinn im Berufsleben geöffnet hat.
Die Vorträge hatten alle eines gemeinsam: Eine entwaffnende Offenheit gegenüber
uns Teilnehmern, von der wir alle viel Lebenserfahrung mitnehmen konnten. Diese
Offenheit zog sich bis zu den anschließenden Speed-Datings hindurch, in denen
wir uns nochmal in einem kleineren Kreis mit den Referenten austauschen und
Fragen stellen konnten.
Nach einem
deftigen Mittagessen (es gab einen köstlichen Schweinebraten), bei dem sich
Arne und ich (David) nochmal ausführlicher mit zwei Rotariern über den Weg zum
Unternehmertum und die Bedeutung des Geldes als Ausdruck des beruflichen
Erfolges unterhalten konnten, ging es mit dem zweiten Teil des Seminars weiter.
Eigentlich war für den Nachmittag ein Vortrag von Dr. Rudolf K. Sprüngli über
“Glück finden in Zeiten von Corona” geplant. Dr. Sprüngli ist Strategieberater
aus Zürich und Verwaltungsratsmitglied der Schokoladefabrik Lindt &
Sprüngli. Bedingt durch die Corona-Auflagen und das Beherbergungsverbot konnte
Rudolf Sprüngli leider nicht nach Bad Boll anreisen. Sein Vortrag wird
eventuell per Zoom nachgeholt. Wir sind schon sehr gespannt auf seine Aussagen.
An Stelle von Rudolf Sprüngli hörten wir am Samstagnachmittag einen Vortrag vom ehemaligen Bundeswehrsoldaten Manuel über seine Auslandseinsätze in Afghanistan. Er schilderte uns eindrucksvoll seine Begegnungen mit dem Krieg und der wohl schwersten Aufgabe einer Führungskraft: junge Kameraden im scharfen Gefecht aus einem gepanzerten Fahrzeug herausführen zu müssen, um anderen Kameraden Rückendeckung zu geben. Von seinem Vortrag haben sich mir zwei Dinge auf jeden Fall in Erinnerung gebrannt: Zum einen die große Bedeutung der strategischen Führung, dass ein Mannschaftssoldat die Gedanken seines Unteroffiziers bzw. Truppführers nachvollziehen kann, sowie dieser wiederum von seinem Offizier und Zugführer. Also das Denken auf der nächsthöheren Führungsebene, um die Gesamtziele und Strategie zur Zielerreichung im Blick zu haben. Und zum anderen der wichtige Unterschied zwischen Aufträgen und Befehlen. Als Leader sollte man seinen Mitarbeitern Aufträge anstatt von Befehlen erteilen, sodass sie diese in Ihrem Kompetenzbereich und ohne weitere Genehmigungen eigenständig erfüllen können. Mikromanagement ist eine Technik der 50er Jahre und steht der Zielerreichung in modernen Unternehmen nur hinderlich im Weg.
Im Anschluss an diesen bewegenden und sehr ergreifenden Vortrag von Manuel, an den wir alle sicherlich noch lange zurückdenken werden, wenn wir von Gefechten und Anschlägen in Afghanistan hören, haben wir ein erstes Fazit des Seminarwochenendes gesammelt. Alles in allem waren wir "durch die Bank" begeistert von dem vielen Input und den persönlichen Erfahrungen, die die Rotarier mit uns teilten. Nach diesem sehr intensiven Seminartag erfrischten wir uns im hoteleigenen Schwimmbad und ließen den Abend dann bei einem Bier oder auch Whisky Sour in der Hotelbar ausklingen.
Sonntag: Podiumsdiskussion zum Thema “
Menschlichkeit und Sinn finden in Beruf und Privatleben - und was kann ich von
erfahrenen Menschen lernen”
Den Sonntag
starteten wir nach dem gemeinsamen Frühstück mit einem kurzen Rückblick.
Geführt von zwei Seminarteilnehmern, einer davon David aus der Bank ...Verbindung,
haben wir die zwei vergangenen Tage noch einmal Revue passieren lassen und
gleichzeitig die Redner der anschließenden Podiumsdiskussion über die
Entwicklungen und Ergebnisse der letzten 1,5 Tagen informiert. Anschließend,
erwartete uns das absolute Highlight der Veranstaltung, die Podiumsdiskussion
mit Führungskräften aus führenden Unternehmen und Organisationen der Region
Stuttgart. Die Diskussion selbst ist nach den Chatham House Rules abgehalten
worden, so dass wir die einzelnen Redner im Nachhinein nicht direkt oder durch
Indikation identifizieren können. Es waren spannende Persönlichkeiten aus den
verschiedensten Tätigkeitsfeldern anwesend. Darunter ein Berufsmusiker, ein
Vorstandsmitglied aus der Versicherungsbranche, ein ehemaliges
Vorstandsmitglied, das nun verschiedene Aufsichtsratsposten innehat, eine
Führungskraft des gehobenen Managements und Autorin sowie ein Leiter einer
Sicherheitsbehörde aus dem öffentlichen Dienst.
Im Anschluss an die Vorstellung der Redner startete die erste Diskussionsrunde zur Frage des persönlichen Sinns, insbesondere in der Führungsrolle. Die Antworten lagen erstaunlich nahe an unseren eigenen Überlegungen. Mit verschiedenen Ausprägungen kamen alle zu dem Ergebnis, dass jeder etwas machen möchte, was ihm/ihr Spaß macht, bei dem er/sie etwas erreichen und gestalten kann. Wer aber gestalten möchte, der braucht auch Einfluss, welcher aus der Führungsposition entwächst. Wir haben viele Erfahrungsberichte und Einschätzungen zu verschiedensten Arten der Führung unter verschiedenen Bedingungen gehört, die uns viele Denkimpulse und Ideen mitgegeben haben, was gute Führung ausmachen kann. Da ist zum einen der Wille und die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, für eigene Aufgaben und Ergebnisse, zum anderen aber auch für die Ergebnisse der geführten Teams. Hier stießen wir das erste Mal an die Grenze traditionellen Top-Down sowie agilen Managements in flachen Hierarchien. Der Konsens war jedoch, dass sich auch in einer flachen Hierarchie eine gute Führungskraft der Verantwortung annehmen muss, die Ergebnisse des Teams zu vertreten. Das Thema Zukunft und Zukunftsfähigkeit ist immer wieder aufgetaucht und hat auch angesichts der aktuellen Lage die Diskussion dominiert. Das Schlagwort “Ambidextrie” (lat. für “beide rechts” oder auch “beidhändig”), die Fähigkeit traditionelle und “agile” moderne Führung gleichzeitig je nach Bedarf zu nutzen, ist uns erklärt und veranschaulicht worden. Eines ist dabei deutlich geworden, alle Redner waren sich einig, dass die Fähigkeit beidhändig zu führen das Handwerkszeug ist, das von Führungskräften heute erwartet wird, um die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten.
Neben vielen
Erfahrungen sowie Empfehlungen haben wir auch einiges zu persönlichen und
untypischen Themen gehört. Zum Beispiel welchen Stellenwert äußere Anerkennung
für Führungskräfte hat, wie man mit Scheitern und öffentlicher Kritik umgehen
kann und auch welchen Preis der Einfluss, den man mit einer leitenden
Führungsposition erwirbt, hat.
Für wen sich das spannend und interessant anhört, dem können wir nur empfehlen, die Möglichkeit einer Teilnahme an einem RYLA Seminar unbedingt zu nutzen. Mehr Erfahrungen aus erster Hand zu hören, neue Eindrücke zu gewinnen und spannende Gespräche in einer so kurzen Zeit zu führen, ist fast nicht möglich. Wir hätten wohl den ganzen Tag mit den Rednern diskutieren können und sind lediglich vom vorgegebenen Zeitplan abgebremst worden.
Im Anschluss an die Diskussionen haben wir unsere Urkunden über die Teilnahme erhalten und konnten beim abschließenden gemeinsamen Mittagessen die letzten spannenden Gespräche, auch mit den Rednern führen.